Schwangerschaft und Segeln
Ich schreibe für die, die nicht schon vor der Schwangerschaft jahrelang um die Welt gesegelt sind, denn die wissen schon ihre Antwort. Auch "normale", nicht langfahrterfahrene Frauen fragen sich, ob sie einen schönen Segelurlaub mit ihrem Lieben unternehmen könnten, bevor das Baby kommt und alles verändert.
Ich beschäftigte mich mit diesem Thema, weil wir ein Boot gechartert hatten, bevor wir vom neuen Familienmitglied erfahren haben. Am Ende unternahm ich im neunten Monat schwanger einen Segeltörn mit meinem Mann und unserem sechszehn Monate alten Sohn.
Meine Tipps und Erfahrungen:
1. Arztbesuch
Die Frauenärzte werden heutzutage einer gesunden Schwangeren einen Segeltörn genauso wenig verbieten wie Wandern, Radfahren und was auch immer sie machen mag, wenn sie sich dabei wohl fühlt. Für mich war es wichtig, einen Frauenarzttermin ein paar Tage vor dem Segelurlaub auszumachen. Man fängt die Segelzeit mit gutem Gefühl an, wenn man weiß, dass das Baby und man selbst in Ordnung ist und aus ärztlicher Sicht nichts dagegen spricht. Genauso machte ich ein paar Tage nach dem Segeltörn einen Arzttermin aus, um mich zu versichern, dass alles stimmt.
2. Törnplanung, Wetter und Navigation
Selbst wenn man keine schweren Lasten tragen darf, trägt man immer die Verantwortung für sich und seine Kinder, die ja zu einer genauso schweren Last sein kann. Die Beschäftigung mit dem Wetter, der Törnplanung und Navigation gehört zur Mama- und Seglerinpflicht. Dann wird man auch von der Entwicklung des Törns nicht unangenehm überrascht.
Ich würde nach meinen Erfahrungen einer Schwangeren empfehlen, nicht bei mehr Wind als 20 Knoten, von vorne nicht mehr als 15 Knoten und nicht bei Wellenhöhe von mehr als 2 Meter zu segeln. Je geringere Wellenhöhe, um so besser. Schwangere haben ja einen sensiblen Magen und das Baby drückt auch gegen die inneren Organe, so dass man eher an Seekrankheit leiden könnte als jemand anderer.
3. Crew
Keineswegs würde ich nach dritten Monat zu zweit, oder mit einer kleiner Crew unter vier Personen segeln. Bei einer Crew mit zwei Personen kann es immer passieren, dass man gebraucht wird. Dann hat man ein schlechtes Gewissen, weil man nicht helfen konnte, oder schlimmer. Man fühlt sich schlecht, weil man geholfen hat, was vielleicht für einen selbst und für das Baby nicht gut war. Nicht nur auf die Anzahl der Crewmitglieder kommt es an. Wenn der eine an der Seekrankheit leidet, der nächste sich nicht zutraut, das Steuerrad zu halten, hat man auch nicht viel gewonnen.
Die beste Crew der Welt - Danke, dass ich immer (schwanger und nicht schwanger) dabei sein durfte.
4. Skipper
Ich finde es nicht günstig, wenn der Lebenspartner der Schwangeren die erfahrenste Person an Bord ist. Es kann ja sein, dass man ihn auch selbst braucht, vor allem wenn man noch ein Kleinkind am Bord hat. Er sollte nicht die ganze Verantwortung für das Boot, die Routenplanung, Wetterinterpretation, weitere weniger erfahrene Crewmitglieder, seine schwangere Frau und die Kinder tragen müssen.
5. Boot
Eine große Crew braucht natürlich ein größeres Boot. Die Marke ist egal. Ich kann mich noch bisschen erinnern, dass ich so "dick" war, dass ich kaum durch die Tür einer ELAN 42 in meine Koje reingehen konnte. So circa zwei Zentimeter Platz gab es noch zwischen meinem Bauch und dem Türrahmen.
6. Revier
Was auch immer man mag. Ich würde ein warmes Land vorschlagen. Natürlich ist es nicht leicht, als Schwangere heiße Tage zu ertragen. Am Bord ist es aber ebenso schlecht, wenn es zu kalt ist. Man kann nicht im Cockpit sitzen, weil man friert. Unten wird es einen bei höheren Wellen sofort schlecht. Man sollte sich wohl für die günstigste Jahreszeit in einem Land mit stabilen, nicht zu launischen Wetterbedingungen entscheiden.
Schottland ist wunderbar und auch bisschen wild.
Ein Land mit vielen Häfen und Segeln an der Küste wäre ebenso empfehlenswert. Als Schwangere ist man sowieso sensibel, also fühlt man sich besser, wenn man weiß, wenn was wäre, komme ich schnell ans Land. Wenn das Land noch mit dem Auto erreichbar ist, oder wenigstens in ein paar Stunden mit dem Flugzeug und man schnell nach Hause kommt, ist es auch beruhigend. Es muss nicht gerade ein Segeltörn in der Karibik sein.
7. Soziale Rolle
Was werde ich an Bord machen? Wie werde ich zum gelungenen Segeltörn beitragen? Gar nichts und gar nicht. Als Schwangere weiß man nie, wie man sich fühlen wird - in ein paar Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen. Es kann monatelang alles in Ordnung sein und plötzlich fühlt man sich schrecklich müde. Man hat Rückenschmerzen, Krämpfe. Man weiß es halt nie, was kommt, auch wenn man schon mal schwanger gewesen ist. Am besten ist es, keine Versprechungen zu machen, keine Erwartungen zu schüren, spontan zu helfen, wenn man kann und will.
8. Tasche für alle Fälle
Vor allem wenn ein Geschwisterkleinkind dabei ist, bereite eine Notfalltasche vor und platziere sie strategisch dort, wo du dich bewegen könntest. Sollte das Wetter seine Streiche spielen, hast du in dieser Tasche alles Nötige dabei: Windeln, feuchte Tücher, "Übelkeitstüten," Tüten mit Druckverschluss, Tempos, Kekse, Rosinen, oder Knabbergebäck, Kinderbuch, Spielzeug, Papier und Stifte.
9. Platz und Bewegung
Als Schwangere wundert man sich manchmal, was mit dem eigenen Körper passiert und wie schnell er sich verändert hat. Man fühlt sich echt, wie in dem Körper eines Fremden. Man braucht auch viel mehr Platz, als man denkt. Also eine große Koje mit einem großen Bett ist vom Vorteil. Immer wieder muss man den Crewmitgliedern klar machen, wenn ich komme, räumt den Weg. Macht Platz. Viel Platz. Es fühlt sich unangenehm an, sich mit riesigem Bauch irgendwo durchzuquetschen zu müssen.
Wenn man vermutet, dass es wilder sein könnte, wie erhofft, setzt man sich am besten schon beim Ablegen dorthin, wo es am bequemsten (Cockpit, Salonbank...) ist. Die Bewegung mit einem dicken Bauch, das Festhalten, Gleichgewichthalten bei größeren Wellen können echt schwierig sein, also sollte man sie auf notweniges Minimum reduzieren.
10. Urlaub nach dem Urlaub
Wenn man normalerweise am Festland lebt, weiß man, dass man von einem Segeltörn ganz schön fertig nach Hause kommt. Man ist viel an der frischen Luft. Man erlebt die Natur, ihre gute und schlechte Laune viel intensiver als sonst. Man lernt neue Länder, Städte, Häfen, Strände und Leute kennen. Ich genoss es sehr, dass wir nach unserem Segelurlaub eine Woche in einem Wellnesshotel verbrachten und das würde ich jeder Schwangeren ans Herz legen.