Ich bin weder eine Meteorologin noch halte ich mich für super erfahrene Seglerin, trotzdem möchte ich über das Thema Wetter schreiben. Für mich spricht, dass ich noch sehr gut weiß, wie sich ein Anfänger an Bord fühlt, wenn das Wetter nicht stimmt, wenn irgendwo Mitte der Biskaya schwarze Wolken und danach die ersten Blitze erscheinen.
Fehlende Erfahrung und Verständnis im Bezug auf die Wetterverhältnisse erzeugen Unsicherheit. Unsicherheit erzeugt Angst.
Das Wetter gehört zum Segeln wie Spaghetti zu Bolognese und je mehr man sich als Anfänger mit dem Thema beschäftigt, um so sicherer fühlt man sich.
Vor unserer Langfahrt war ich, was Wetter angeht, völlig unerfahren, aber auch sehr wissbegierig. Bei einer Münchner Segelschule fand ich einen vielversprechenden Kurs. Begeistert rief ich an. Als ich erwähnt hatte, dass wir eine Langfahrt planen, sagte der Mitarbeiter zu mir: "Bei uns gibt es so was nicht. In diesem Kurs geht es nur um das küstennahe Segeln im Mittelmeer. Kaufen Sie sich doch lieber ein Buch."
Na, super. Das Buch „Wetter auf See" stand schon seit Monaten in unserem Regal. Gelesen, aber nicht wirklich verstanden.
Die Beschäftigung mit dem Wetter ist keine einfache, rein theoretische und schnell zu erledigende Angelegenheit. Es bedarf Zeit und Erfahrungen. Erfahrungen fehlen einem am Anfang. Die Zeit ist für jede Mutter eine Mangelware.
Seminare zum Thema Wetter, die sicherlich was bringen:
Nachdem die Welt (endlich) eingeschlafen ist - Wetter-Software
Mittlerweile gehe ich bei dem Thema Wetter folgendermaßen vor.
Mindestens einmal am Tag beschäftige ich mich besonders intensiv mit der Wettervorhersage mit Hilfe einer Wetter-Software am Computer. Zum Herunterladen aktueller Daten braucht man eine Internetverbindung, also geschieht es meist über das WLAN im Hafen, Mobiltelefon, oder während mehrtätiger Strecken mit Hilfe des Satellitentelefons.
Da die letzte Aktualisierung am Tag um 21:00 stattfindet, schaue ich mir die Wetterentwicklung an, nachdem die Kinder schon eingeschlafen sind und endlich Ruhe eingekehrt ist.
Wettervorhersagen, das sind computergestützte Wetterprognosen, die anhand von vielen Messwerten zahlreicher Wetterstationen berechnet werden. Unsere Wetter-Software von PredictWind bietet vier Modelle an.
ECMWF - Modell des Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage
GFS (Global Forecast System) - globales Wettervorhersagemodell des US-Wetterdienstes NOAA
PWG und PWE sind Modelle eines neuseeländischen Unternehmens, auf der Grundlange von GFS und ECMWF
Mehr Informationen zu Wettermodellen:
Wetterparameter
Bei jedem Modell kann man sich mehrere Parameter anzeigen lassen, wie z.B. Wind, Böen, Seegang, Strömung, Luftdruck, Temperatur, Wetterzustand. Am besten betrachtet man nicht ein Modell nach dem anderen, sondern einen Wetterparameter nach dem anderen in allen Modellen.
Man markiert die Strecke, die man demnächst fahren will und beobachtet die Wetterentwicklung in diesem Bereich. Man sollte sich aber auch einen größeren Kartenabschnitt anzeigen lassen. Dieser sollte, so unser Wetterguru, je größer sein, um so länger die geplante Strecke ist. Plant man zum Beispiel die Strecke zwischen Lissabon und Madeira, beobachtet man tagelang auch die Wetterentwicklung auf der ganzen nördlichen Halbkugel, von Nordamerika bis Europa.
Um sich selbst nicht zu überfordern, schaut man sich erstmal die ganzen Parameter am nächsten Tag an und danach weitere Tage im Schnelldurchlauf.
Wind und Seegang
Wind und Seegang sind die Parameter, die für unsere Entscheidung, ob wir ablegen oder nicht, die wichtigste Rolle spielen. Deswegen kann man sich zuerst die Windstärke und die Windrichtung in allen Modellen anzeigen lassen und vergleichen, ob Ähnliches zu sehen ist, oder größere Differenzen in den angegebenen Werten zu verzeichnen sind, was auf die Unzuverlässigkeit der Berechnungen hinweisen könnte. Für unsere Familiencrew ist die optimale Windstärke bis 20 Knoten, beim Wind von vorne bis 15 Knoten.
Zunehmend wichtiger wurden mir im Laufe der Reise auch die Böen ("Gusts"). Gefühlt war das dann oft die Windstärke, die einem in Erinnerung blieb. Gibt es viel mehr Wind als vorhergesagt, sollte man sich fragen, warum. Befinden wir uns vielleicht in der Nähe eines Kaps? Na ja, in dem Fall hat man es hoffentlich schon bei der Vorbereitung des Törns in Betracht gezogen und rechtzeitig gerefft.
Als Mutter kleiner Kinder, die oft auch mal unter Deck spielen wollten, war es immer besser, mal einen Tag lang bei wenig Wind zu motoren als bei viel Wind zu segeln. Lieber sagt man am Ende des Tages: "Na ja, es war ein toller Segeltag, viel Sonne, wenig Wind.", bevor man denkt: "Es war "ziemlich" wild und ich muss es nicht wieder haben."
Danach könnte die Betrachtung des Seegangs folgen - die Wellen, ihre Länge, Höhe, Richtung, Wellenperiode. Man merkt oft, dass man beim optimalen Seegang auch mehr Wind vertragen kann. Unsere Lieblingswellenhöhe ist bis 2 Meter, sonst beginnen die kleinen Kapitäne zu motzen, wenn das Lego zu oft umfällt. Als angenehm empfinden wir, wenn der Abstand zwischen den Wellen mindestens das zwei-, oder dreifache beträgt. D.h. die Wellenhöhe 2 Meter, Abstand 4-6 Meter.
Strömung
Die Strömung spielt beim Segeln in bestimmten Gebieten eine entscheidende Rolle. Sie kann zu einem tollen Freund werden und einem helfen, schneller nach vorne zu kommen. Lieber sollte man sie aber nicht zum Feind haben. Nicht nur ist es nervenaufreibend gegen die Strömung, bzw. in der Konstellation Strömung gegen Wind zu segeln, da sich dann unangenehmes Wellenbild entwickeln kann, sondern sie beeinflusst auch die Einfahrtsmöglichkeiten in bestimmte Häfen.
Für einen Anfänger, der von Deutschland, oder Holland losgesegelt ist, sind die Berechnungen der Strömung in dem Englischen Kanal sehr wichtig. Man kann sie aber nicht als kinderleicht und selbsterklärend bezeichnen.
Am Anfang beschäftigte sich mit der Strömung nur Jan. Als Mama von zwei lebhaften Kindern merkte ich oft, dass mir einfach die Zeit fehlt. In dem Fall sollte man sich die Berechnungen jeden Tag genau erklären lassen. Es hat nicht nur den Vorteil, dass man beim Zuhören lernt, sondern man gibt dem Skipper die Möglichkeit nochmal gedanklich den Stoff durchzudringen. Beim Erklären merkt man oft noch eventuelle Schwächen, bzw. Trugschlüsse.
Beim ersten Mal durch den Englischen Kanal hatten wir noch umfangreiche Revierführer, später erfolgte die Vorbereitung fast nur noch elektronisch mit den Strömumgspfeilen in Navionics sowie den Angaben im Reeds Nautical Almanac. (Reeds Nautical Almanac - der umfangreichste Revierführer für Nordsee, die Britischen Inseln und die Europäische Atlantikküste. Hafenpläne, Passageplanung, Strömungskarten, Hochwasserzeiten und viel mehr.).
Wetterzustand - der Wohlfühlparameter
Der Parameter Wetterzustand ist für mich der "Wohlfühlparameter."
Scheint die Sonne, oder gibt es Wolken? Regnet es, oder gibt es sogar Gewitter? Begleitet uns Nebel, oder erfreut uns klare Sicht?
Wolken sind grundsätzlich nichts Schlimmes, aber manchmal fragt man sich als Anfänger nach einer intensiven Lektüre einiger Bücher zum Wetter beim Anblick des Himmels: "Was soll das sein? Schäffchen, oder Drachen? Keine Ahnung, was diese Wolken zu bedeuten haben." Ich mag es beim Sonnenschein zu segeln. Man fühlt sich irgendwie sicher und wohl. Etwas Wind, nicht zu viel, nicht zu wenig. Blauer Himmel, interessante Küste am Horizont, tiefblaues Wasser. Besser könnte es nicht sein. Langer Rede kurzer Sinn. Wenn es schon bewölkt sein soll, will ich es wissen. Morgen ab 8:30, den ganzen Tag. Es regnet wahrscheinlich auch. Also Ölzeug und eine Kanne mit heißem Tee vorbereiten und für die Kinder jede Menge Bastelsachen.
Natürlich wird am Bord quasi permanent der Himmel beobachtet. Die diensthaltende Person hat ja praktisch nichts Anderes zu tun und was erfreut einen mehr als die Kommentare eines an Bord anwesenden studierten vierjährigen Meteorologen: "Die Wolken bauen gefährliche Bergen." (Cumulonimbus-Wolken) In dem Fall hat sogar ein Kind erkannt: Es bahnt sich was an.
Nebel wird oft in den regionalen Wettervorhersagen angekündigt. Ich unterschätzte ihn gerne, vor allem wenn sonst alles stimmt. Na ja, bisschen Nebel. Bei dem letzten Törn um den Kap Finisterre dauerte der Nebel von 7:00 bis 14:00. Gott sei Dank konnten wir den Radar und AIS anschalten, aber ohne hätte ich nicht wirklich segeln wollen.
Anderes
Weitere Parameter wie Luftdruck, Temperatur, Wassertemperatur usw. sind natürlich auch zu beachten.
Die kostenpflichtige Version der Wettersoftware beinhaltet viele Extras. Die Streckenwetterberechnung stellt den optimalen Kurs unter Berücksichtigung der Wettervorhersage und der Geschwindigkeit des Bootes dar. Bei einer Langfahrt ist es wahrlich nicht schlecht. Nice to have, kein Must have.
Einen äußerst informativen und gut verständlichen Artikel zum Thema Wetter und Verwendung von Wettervorhersage- Software von einem wirklichen Meteorologen geschrieben gibt es unter:
Zwischen Windelnwechseln und Legobauen - Windy, Windfinder, ...
Windy
Für das Zwischendurch schaue ich mir immer wieder während des Küstensegelns das Wetter bei Windy und den Verlauf der Strecke bei Navionics an. Diese zwei Apps sind auf meinem Handy installiert, und während die Kinder spielen, kann ich in ein paar Minuten sehen, ob sich etwas bezüglich des Wetters verändert hat und wo wir gerade sind.
Windy verwendet das amerikanische GFS- Model, das europäische ECMWF-Modell und weitere regionale Modelle. Auf der dargestellten Wetterkarte werden Wetterparameter wie Windrichtung und -stärke, Wellenhöhe, Niederschlag und Temperatur dargestellt.
Windfinder
Windfinder ist ein Wetterdienst für Wind-, Wellen- und wetterbezogene Sportarten. An zahlreichen Wetterstationen werden aktuelle Wetterparameter (Windstärke, Windrichtung, Lufttemperatur, Luftdruck, ...) angezeigt. Die Verwendung der App ist kinderleicht und selbsterklärend. Als Vorbereitung für die Fahrt kam man sich die Daten für alle Orte an der Strecke anschauen.
Da sich die Wetterstationen oft in der Nähe der Marinas befinden, sieht man hier auch gleich die Prognose für die Windstärke und Windrichtung beim Anlegen. Ein "Wetteranfänger" ist meist gleichzeitig auch ein "Anlegeanfänger", der sich über viel Wind im Hafen nicht freut.
Nach einem Spaziergang - Hafenmeister und seine Tipps
Wettervorhersage am Ende der Welt (nicht nur)
Das Ende der Welt kann auch schon eine einsame Bucht in Schottland sein, wo man keinen Internetzugang hat.
In dem Fall ist die Wettervorhersage auch durch folgende Medien zu erhalten:
NAVTEX (Navigational Text Messages, früher Navigational Warnings by Telex) Auf dem Display eines NAVTEX-Empfangsgeräts erscheinen Sicherheits- und Wetterinformationen verschiedener Sendestationen.
Radio - ber Frequenzen der UKW, MW und KW. Die Gebiete und Zeiten sollte man am besten schon vorher herausfinden.
Telefon, SMS oder MMS verschiedener Wetterportale - Die Nummer sucht man sich auch im Vorfeld raus.
Wetterfax - Sendeplanlisten gibt man z.B. unter NOAA.gov
Mehr dazu unter:
Absicherung durch Andere
Absicherung durch Bekannte, oder einen erfahrenen Skipper ist für einen Anfänger eine wunderbare Sache. Das Problem ist, dass eine Landratte zwar viele Freunde besitzt, aber nur weitere Landratten. Deswegen betone ich immer wieder, wie viel Entspanntheit, wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse die Anwesenheit eines erfahrenen Skippers bringt. Wir hatten das Glück, dass die meisten von unseren ehemaligen Skipper zu unseren Freunden geworden sind und einer uns mit seinen Ratschlägen die ganze Zeit begleitete.
Bevor wir losgesegelt sind, schrieben wir ihm wochenlang SMS z.B.: Morgen um 6:00 wollen wir von Lorient nach Ponichet segeln, Wind ...., Wellenhöhe ...., Hochwasser um .... " Er bestätigte, dass wir die Gezeiten richtig berechnet und die Wetterlage entsprechend interpretiert hatten. Mit der Zeit gewannen wir mehr Sicherheit und lernten auch Freunde, weitere Wasserratten, kennen. Die SMS wurden immer seltener, aber bei Unsicherheiten lassen wir uns immer wieder beraten.
Das Geld ist rar. Wer ein Segelboot besitzt, weiß es besonders gut. Bevor man mit schlechtem Gefühl segelt, sollte man darüber nachdenken, ob man bei längeren, oder anspruchsvollen Strecken doch vielleicht kostenpflichtige Wetterberatung in Anspruch nimmt, oder sich wenigstens über das Kosten- Leistungsverhältnis informiert. Fragen kostet ja nichts.
Zum Schluss
Man kann wohl sagen, dass sich sicherlich 70 % Gespräche der Segler um das Wetter drehen, an Bord kommen dazu Themen wie "Speiseplan" mit circa 20 %. An Bord eines Familienbootes stellt das Wetter 50 %, Kinder 30 %, Speiseplan 19% dar. Anderes ist mit 1 % vertreten. Wetter ist das Small Talk Thema jedes Seglers, damit kann man praktisch mit jedem ins Gespräch kommen. Es schadet nicht, sich mit anderen im Hafen auszutauschen, wobei man sich nicht verrückt machen lassen und immer nachfragen sollte, woher die Wetterdaten stammen.
Einen ängstlichen Anfänger an Bord zu haben, ist gar nicht so schlecht. Bei manchen seglerischen "Unannehmlichkeiten", lachen meine Männer über mich und sagen: "Das wäre uns nicht passiert. Mama wäre gar nicht aus dem Hafen losgefahren."
Lesenswertes
Bücher:
- Alan Watts: Das Wetter Handbuch, Beobachtung - Analyse - Vorhersage, Delius Klasing 2000
- Dieter Karnetzki: Das Wetter von morgen, Praxis für den Yachtsport, Delius Klasing 1992
- Dieter Karnetzki: Wetterregeln für Segler, Delius Klasing 1994
- Frank-Ulrich Dentler u.a.: Der kleine Wolkenatlas, Beschreibung, Entstehung, Vorkommen, Regeln, DSV-Verlag 2010
- Harald Schulz, Walter Stein: Wetterkunde für Wassersportler, Delius Klasing 2009
- Karl-Heinz Bock, Ralf Brauner, Frank-Ulrich Dentler: Seewetter, Das Autorenteam des Seewetteramtes, DSV-Verlag 2009
- Meeno Schrader: "Das Wetterbuch für Wassersportler
- Michael Sachweh: Wetterkunde für Wassersportler, Delius Klasing 2019
- Ralf Brauner / Boris Herrmann / Hans-Jörg Nafzger: Wetter auf See, DSV-Verlag 2014
- Ralf Brauner, Frank-Ulrich Dentler, Andreas Kresling: Strom, Seegang, Gezeiten, Meereskunde für Segler, DSV-Verlag 2003
- Rolf Dreyer: Wettertafeln für die Bordpraxis, Wetterzeichen - Erkennen und Verstehen, Edition Maritim 2005
Internet:
- https://blauwassersegeln.at/seglerin-umgang-mit-angst/
- https://www.blauwasser.de/wettervorhersage-software-segeln
- https://kachelmannwetter.com/de/modellkarten
-
https://www.passageWeather.com
- https://www.rya.org.uk/knowledge-advice/Pages/hub.aspx
- https://www.skipperguide.de/wiki/Wetter_an_Bord
- https://www.weather365.net
- https://www.weathercharts.org
- https://www.wetteronline.de
- https://www.wetterzentrale.de
- https://www.windfinder.com
Wetter für Minikapitäne ab vier Jahren
Pixi wissen TV Wetter - https://www.youtube.com/watch?v=x4dIfrIBLeA