Wie ist es zu Hause zu sein? Wie ist es von der Langfahrt zurückzukommen? Wie ist es ein "normales" Leben zu führen? Wie ist es eine "Landfrau" zu sein? Wie passen sich die Kinder auf das andere Leben an?
Darüber möchte ich heute schreiben und euch das erzählen, was man sonst nirgendwo liest.
In einem meiner Facebook-Artikel habe ich geschrieben: Ich fühle mich, wie ein Stück Puzzle aus einem blauen Bild. Ich versuche jetzt in einem grünen Puzzle meinen Platz zu finden. Ich probiere alle Lücken, aber irgendwie passe ich nirgendwo rein.
Auf dem blauen Bild sieht man die wunderschöne Farbe des Meeres, mal hellblau, mal dunkelblau, türkis, unendliche Weite des Ozeans, ein kleines Boot mit schneeweißen Segeln, sandige Strände, Palmen, aber auch süße Fischerdörfer und beeindruckende Städte. Das grüne Bild ist anders. Hier gibt es ein Haus, einen Garten und Kindergarten, Arbeit und Hausarbeit.
Natürlich ist der erste Moment "Nach Hause kommens" fantastisch. Welchen Genuss bereitet es einem, eine lange heiße Dusche zu nehmen, kann man sich nur vorstellen, wenn man lange keine hatte. Denn wir haben am Bord keine Dusche, keinen Wassermacher. Im Bad kann man kaum stehen. Also ist es wirklich ein Vergnügen in einer eigenen, schönen, vertrauten Umgebung zu duschen. Plötzlich hat man viel Platz, viele Zimmer, viele Sachen. Gut, auch viel Kram - viele Bücher, viel Deko, viele Teller.
Wie auch immer. Man freut sich, weil es einfach was Anderes ist. Man freut sich, weil man wieder vertraute Gesichter sieht.
Wenn man sich Bücher und Blogs der Langfahrer anschaut, liest man meist nur wenig darüber, wie es nach der Langfahrt war. Ab und zu kommt etwas über Anpassungsschwierigkeiten, Schwierigkeiten in das "geregelte" Leben reinzukommen.
Ehrlich - ich konnte es mir nie vorstellen. Manches muss man erlebt haben. Ich glaube, mein Problem war nie, mich anzupassen. Man weiß ja, wie das Leben in Deutschland läuft. Man hat ja hier lange gelebt. Natürlich nervt es, wenn es Ärger in der Arbeit gibt, die Waschmaschine nicht funktioniert, man wird von Tausenden Formularen überschüttet, die man nur kurz aufzufüllen braucht. Bürokratie und Stress. Man sollte aber nicht vergessen, es ist einfach nur die andere Seite der Münze, die andere Seite des "bequemen" Lebens in der europäischen Zivilisation .
Das wahre Problem des Zurückkehrens ist für mich die unendliche Traurigkeit. Nicht weil man das neue alte Leben nicht mögen würde, es ist das andere, das blaue, das man so unendlich vermisst. Es fühlt sich komisch an, früh morgen aufzustehen, aus dem Fenster zu schauen und.... immer dasselbe zu sehen. Es ist schockierend, unglaublich, monoton, einfach traurig. Es gibt nichts zu entdecken.
Ich sehne mich danach, wieder mal aufzustehen und mir nicht sicher zu sein, in welchem Land ich überhaupt bin, jeden Tag eine neue Stadt, oder wenigstens jede Woche zu entdecken. Und die Suche. Die Suche vermisse ich sehr - gleich nach dem Frühstück muss sie beginnen. Gesucht wird - ein Lebensmittelladen, ein Bäcker, ein Spielplatz, ein Waschsalon, das Stadtzentrum - hoffentlich kein Bootstechniker. Das Bootsleben ist spannend. Es wird immer was gesucht.
Und dann die spannenden Diskussionen - Wo will man hin? Sorry, Blödsinn. Wo kann man hin? Also, ich meine: Wie ist das Wetter? Kann man los, oder nicht? Und wohin? - Sorry, wieder. Das sollte witzig sein. Das Wetter, die Diskussionen über das Wetter und die Bootsreparaturen gehen einem an Bord echt auf die Nerven, aber sie machen das Leben auch spannend.
An Bord erlebt man immer etwas, etwas Interessantes. Man läuft nicht in denselben Bahnen - aufstehen, anziehen, Kinder in den Kindergarten, Arbeit, Mittagessen kochen, Kinder abholen, Haushalt, Arbeit, schlafen. Man kann das Leben während der Langfahrt gestalten und man kann es jeden Tag unterschiedlich und abwechslungsreich gestalten. Mal segelt man, mal liegt man am Strand, mal macht man eine Wanderung, oder eben mal wird was repariert. Es ist was los. Man lebt.
Und Kinder. Vor der Reise habe ich natürlich alle Blogs, die ich über das Segeln mit ganzer Familie gefunden hatte, gelesen. Natürlich wollte ich wissen, wie es für die Kinder sein wird, wenn wir zurückkommen. Ehrlich - meist, wurde in den Büchern und Blogs nur positiv beschrieben, wie selbstbewusst und unabhängig die Kinder geworden sind, wie sie alles ohne Probleme meistern.
Aber ehrlich - Wieso sollte es für die Kinder einfacher sein, ein neues anderes Leben zu führen, als für Erwachsene? Es klingt unlogisch. Es ist auch unlogisch. Denn wir Erwachsene lebten das alte Leben jahrelang vor der Langfahrt, während unsere Kinder, bei dem Reiseeintritt 1,5 und 3,5 Jahre alt waren und sich wirklich an nichts erinnern können.
Als wir das letzte Mal nach drei Monaten vom Boot in unser Haus kamen, waren die Kommentare der Kinder:
Lukas (3): Mama, ich glaube, wir waren hier schon mal.
Samuel (5): Mamaaaaa, schnell. Ich weiß nicht, wo es hier eine Toilette gibt.
Für alle Bootskinder auf der Welt kann ich nicht sprechen, aber ja. Es ist schwer, sich anzupassen. Es ist schwer, woanders zu sein
Die Bootskinder sind gewohnt, überall auf der Welt Freundschaften zu schließen, sie sind selbstbewusst und freundlich. Ich finde es beeindruckend, wie sie am ersten Tag in den Kindergarten reingegangen sind: "Tschüss Mama" und sie sind weggewesen. Sie betraten den Raum der Halle fürs Kinderturnen beim ersten Mal wie Stars und verkündeten von weitem: Hallo. Wir sind Samuel und Lukas. Wir sind hier neu. Spielplätze sind kein Problem: Hallo. Ich bin Samuel. Das ist mein Bruder Lukas. Wollen wir zusammen spielen?
Und doch ist es nicht einfach, mit den tausenden Regeln des Kinderdaseins klar zu kommen. Plötzlich muss man sitzen, singen, springen, malen - wenn es die anderen wollen. Man wird fremdbestimmt.
Man muss sich anpassen, noch mehr - sich unterordnen. Wäre man es von "Kindheit" an gewohnt, wäre es vielleicht kein Problem. Doch ich finde, dass es eine Bereicherung ist, eine andere Welt kennenzulernen. Für jeden. Denn genauso wie die Kindern nichts für selbstverständlich halten, mache ich es nicht auch nicht mehr. Und so gibt es Tausende Fragen und Tausende Gelegenheiten unsere Welt in Frage zu stellen, zu diskutieren. Warum wir die Lieder "Hey, ho wir sind Piraten" und "What shall we do with the drunken sailor" nur an Bord singen und nicht im Kirchenchor. Nicht alles passt überall. Diese Welt ist eine andere. Und als Tipp: Bringt wirklich niemals den Kindern an Bord das Lied: "What shall we do with the drunken sailor" bei. Ihr vermeidet viele Unannehmlichkeiten.
Das Leben fühlt sich mittlerweile ganz normal an. Irgendwie, als ob man nie weg wäre. Die Realität ist da, mit einer heftigen Wucht, so dass man keine Zeit hat, zu denken, irgendwas zu denken, sich zu erinnern. Und doch irgendwo da drinnen bleibt das Gefühl, etwas erlebt zu haben und etwas zu wissen, was man sonst nie gewusst hätte, was andere Menschen, die in den gewohnten Bahnen ihr Leben verbringen, nicht wissen, wovon sie sich gar nicht bewusst sind. Es gibt Tausende Arten zu leben, es gibt keine falsche, es gibt keine richtige. Es gibt nur diese - die, die wir jetzt haben.
Das Erlebte bleibt immer ein Teil von uns, das geheime Wissen vom anderen Leben. Es ist da, unbeachtet dessen, das es vergangen ist. Und natürlich träumt man weiter. Was wenn? Wann gibt es genug Geld, um wieder zu segeln? Wo geht es hin?
Wie auch immer. Die allbekannte Wahrheit besagt, dass die Vergangenheit für immer weg ist. Ob die Zukunft "stattfindet", wissen wir nicht. Heute sind wir da und heute müssen wir aus unserem Leben das Beste machen. Genau jetzt. Es ist unsere Chance und es ist eine Chance für unsere Kinder, dieses Leben hier und jetzt kennenzulernen und zu genießen.
Und nochmal zu dem Bild vom Anfang: Ein Mensch ist kein Stück Puzzle. Eine unbekannte Bekannte hat mir zu meinem Facebook-Artikel geschrieben: Lasst euch Zeit. Wie recht sie hatte. Ein Mensch ist nämlich wirklich kein starres Stück Puzzle, eher ein Stück Knete. Ein Mensch kann sich anpassen und ändern. Wenn er will. Es dauert halt Zeit. Daran musst ihr denken, ob ihr euch fürs Land- oder Seeleben entscheidet. An ein neues Leben muss man sich gewöhnen. Immer.
(Denkt daran auch, wenn eure Langfahrt erst beginnt. :)