
Wie wäre es einmal in der Karibik zu segeln? Davon träumen viele Segler.
Als ich nach achtzehn Tagen auf dem Atlantik in der Karibik angekommen war, war ich ein unbeschriebenes Blatt. Ehrlich - ich habe es nicht geschafft, mich ernsthaft über Land und Leute dort zu
informieren.
Dementsprechend schockiert war ich in den ersten Wochen. Damit es euch nicht so geht, teile ich hier meine Erfahrungen von einer wunderschönen, aber auch widersprüchlichen Welt.
Segeln
Das Wichtigste, was einen Segler interessiert, ist natürlich, wie sich´s in der Karibik segelt.
Die Karibik ist außer der Hurricane-Saison bekannt durch günstige Winde, eben oft zwischen 15-20 Knoten. Man hat uns gesagt, bei weniger als 10 Knoten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Squalls, plötzliche heftige Windstöße, die starken Regen mit sich bringen, auftauchen.
So ungefähr würde ich es auch sehen. Wir haben wahnsinnig schöne Strecken beim Segeln gehabt, wie von Dominica zu Iles de Saintes. Das Boot lief wie geschmiert. Die Sonne schien. Wir beobachteten Wale und Delfine. Die Crew war super gut drauf.
Dann kamen wiederum ein paar heftige Squalls. Den einen zwischen Iles Santes und Guadeloupe werde ich wohl nie vergessen, weil er sich wie eine Ohrfeige anfühlte - schmerzhaft und stark.
Der Wind war so heftig und drehte das Boot so stark, dass wir gar nicht mehr wussten, wo vorne und wo hinten ist. Wir waren wie in einer grauen Wolke, haben weder das nahliegende Land noch die Navigationsinstrumente gesehen.
Vom Himmel fielen solche Massen an Wasser, als ob man uns einen Kübel Wasser über den Kopf ausgeschüttet hätte. Gerefft war es ja schon, aber es ergab sich keine Möglichkeit überhaupt etwas zu tun, als dem Schicksal ergeben vor dem Wind abzulaufen.
Das Gefühl der totalen Hilflosigkeit war absolut überwältigend.
Das Witzige dabei war, dass wir bei 20 Knoten Wind losgesegelt sind, dann vom Squall sicherlich mit mindestens 35 Knoten getroffen wurden, und fix und fertig in ein paar Minuten hinter einer Insel bei 3 Knoten geankert sind.
Das Ganze war wirklich wie eine schnelle, heftige Ohrfeige.
Früher habe ich mich vor Squalls ziemlich gefürchtet. Heute würde ich es so sagen:
In jedem Segelrevier gibt es etwas Negatives und die Squalls sind zwar heftig, aber immerhin sind sie schnell vorbei. Das Wetter erschien uns jedenfalls eher voraussehbar, als zum Beispiel im Mittelmeer.
Deswegen - keine Angst vor der Karibik. Alles machbar.
Zum Segeln ist die Karibik echt nett.
Die Marina Blue Lagoon auf St. Vincent mag einen netten Pool besitzen, aber das Ankern ist natürlich schöner.
Ankern oder Hafen?
Die Frage, ob man ankert, oder in den Hafen fährt, muss man sich in der Karibik nicht stellen. Die Marinas sind selten, teuer und nicht einfach reservierbar.
Die Profis, die Segler, die hier schon seit Jahren segeln, reservieren die Plätze schon monatelang davor, bevor sie kommen.
Ich muss lächeln, wenn ich daran denke, dass wir vor der Karibik noch nie in unserem Leben geankert sind, aber so ist es. Man wächst mit den Herausforderungen.
Man braucht schon gute Nerven, oder viel Erfahrung, wenn man in der Karibik ankern möchte.
An vielen Ankerplätzen ist es ziemlich voll und vor allem muss man sich darauf einstellen, dass man unter allen Wetterbedingungen ankern und beim Ankern durchhalten muss.
Es lohnt sich jedenfalls, die Zähne zusammenzubeißen. Dafür segelt man ja in der Karibik und das ist insgesamt total "geil."
Ankern in der Karibik ist echt wie ein Ankernschnellkurs für Fortgeschrittene.
Jede Insel ist anders, aber jede besitzt ihren eigenen Zauber.
Land, oder Länder
In der Karibik ist es schön, atemberaubend schön. Man kann sie schwer mit anderen Gegenden vergleichen, wo es natürlich für Segler interessant ist - Griechenland, Kroatien Spanien, Kanaren...., aber die Karibik hat das gewisse Etwas.
Es ist die Mischung von unterschiedlichen Inseln, saftig grünen Bergen, tropischer Vegetation, romantischen Palmen, dem Sand in verschiedenen Farben von schwarz bis zu fast schneeweiß und kristallklarem Wasser.
Es sind die bunten Hütten der Einheimischen, die absolut bezaubernd wirken. Eine abwechslungsreiche Mischung von Einzelelementen, die es halt nur hier und nirgendwo sonst gibt.

Ich gebe zu, ich war schockiert davon, wie die „Lebens- und Wohnsituation“ der meisten Menschen in der Karibik aussieht. Keine Ahnung, was ich mir vorgestellt habe. Wahrscheinlich etwas blendend Beeindruckendes.
Als wir in die Hauptstadt von St. Vincent fuhren, habe ich in meiner Naivität an so etwas wie „karibisches Berlin“ erwartet.
Gefunden habe ich, eine Art "Dorf," wobei nur die Hauptstraße und vielleicht eine oder zwei Nebenstraßen aus richtig gemauerten Häusern bestand. Kaum ist man um die Ecke abgebogen, geriet man "in Armut."
Karibik, das ist nicht nur Luxus und Glitzer. Das Kreuzfahrtschiff, das hier anlegte, wirkte unermesslich höher und größer als die ganze "Hauptstadt.“
Ziemlich schnell habe ich verstanden, wie hier der Hase läuft. Für uns heißt es - "Wow, Karibik. Du bist in der Karibik."
Für die Einheimischen ist es das andere "Du bist in der Karibik."
Wer das Glück hat, lebt auf einer zu einer ehemaligen Kolonialmacht zugehörigen Insel. Die anderen müssen schauen, wie sie sich durchschlagen.
Also wenn man etwas besorgen muss (Lebensmittel, Ersatzteile…) besucht man „französische“ Inseln. Wenn man es ruhig haben möchte, die anderen, kleinen.

Leute
Als wir in der Karibik waren, mussten wir wirklich nach Geld schauen. Wir haben uns ja spontan für unsere Reise entschieden, deswegen waren unsere Ersparnisse nicht gerade riesig, aber für die
Menschen in der Karibik waren wir reich.
Im Prinzip haben sie recht. Wer als „Tourist“ hierher kommt, hat Geld - jedenfalls mehr als die meisten Menschen auf den vielen Inseln.
Wenn man sich unter Menschen befindet, die viel mehr, oder viel weniger besitzen, als man selbst, beginnt man sich sehr viele Gedanken zu machen.
Unsere Kinder fragten oft wehmütig, warum wir das kleinste Boot bei der ARC haben. Hier wurde ihnen klar, dass wir das kleinste Boot haben, aber wir haben ein Boot. Mehr als viele andere.
Aber sicherlich machen sich auch die Bewohner der vielen kleinen Inseln Gedanken über das Thema "Armut und Reichtum."
Wenn man sagt, es seien die nettesten Menschen auf der Welt, sollte man sie für ihre„Nettigkeit“ bewundern. Denn sie könnten auch neidisch sein.
Das sind sie aber nicht und dafür liebe ich sie.

Das karibische „Etwas“
Als das andere karibische „Etwas“ beschreibe ich die Schattenseite der tropischen Welt, die man in Europa nicht dermaßen kennt, oder wahrnimmt.
Auch dies gilt zu bedenken, vor allem wenn man mit kleinen Kindern reist.
Unsere Mini-Erlebnisse:
Auf St. Martin sprach mich in der Stadt eine Frau an:
„Ich habe gehört, dass Sie Deutsch sprechen. Das Kind von unseren Freunden ist ins Krankenhaus gekommen. Gehen Sie nach 16:00 nicht mehr zum Strand. Es gibt sehr viel Mücken, die Krankheiten übertragen.“
An einem Abend sagt mein Mann zu mir: „Karl (von einem anderen Boot in der Ankerbucht) hat mir gerade geschrieben: Das Außenministerium hat eine Warnung vor einer Epidemie auf der Insel herausgegeben.“
An einem anderen Abend: „Gerade gab es ein Erdbeben, unweit, auf Kuba.
Jeder kann sich vorstellen, wie es wohl auf eine junge Mutter wirkt, wenn sie mit ähnlichen Nachrichten öfters konfrontiert wird.
Abgesehen vor der jährlichen Hurrikansaison gibt es hier in der bezaubernden karibischen Welt einige entzaubernde „Elemente“ und man beginnt schnell dankbar zu sein, dass man in Deutschland lebt.
Die Menschen in der Karibik leben in einem blauen Paradies, aber, ob man mit ihnen dauerhaft tauschen würde, weiß ich nicht.
Ich glaube, wenn man sich dessen bewusst ist, kann man die Karibik wirklich genießen.
Martinique - ist eine Insel, auf der man sicherlich Freunde findet. Letztes Bild - Mustique.
Seglergemeinde
Ich glaube… Nein, ich weiß es. Jan hat hier den schönsten Geburtstag seines Lebens gefeiert - auf einem 10 Meter Boot mit genau neunzehn anderen Menschen. Denn fast das Bezauberndste in der
Karibik ist die unglaubliche Seglergemeinde.
Hier landen alle Langzeitsegler, die den Atlantik überquert haben und haben viele Geschichten auf Lager. Da es nicht unendlich viele Ankerbuchten gibt, trifft man sich immer wieder, oder man
segelt sogar einige Strecken zusammen.
Die Stimmung, die hier herrscht, lässt sich nicht beschreiben.
Die Segler sind wie eine Familie, eine schrecklich coole Familie, denn man wohnt nicht in Häusern, sondern auf Booten, man fährt kein Auto, sondern ein Dingi.
Man kennt jeden und jeder kennt einen. Man feiert zusammen Feste, trifft sich abends beim Sundowner.
Wie cool war es, als wir mit sieben anderen Familien an Silvester mit eben sieben Dingis von Bucht zu Bucht gefahren waren. Es wurde gegrillt und gebadet. Am Abend schliefen die Kinder in den
Dingis ein. Erwachsene saßen am Strand und redeten ohne Ende.
Es gab verrückte und witzige Geschichten, an die ich mich bis heute erinnere.
Eine Familie erzählte, wie sie am Strand grillen wollte, aus Versehen als Grillspieße die Zweige vom Manchinelbaum nahm.
Danach mussten alle ins Krankenhaus, weil sie unter starken Bauchschmerzen litten. Die Mama rieb sich mit den Händen das Gift in die Augen ein und konnte nichts mehr sehen.
Wenn ich es jetzt schreibe, klingt es erschreckend und schrecklich, aber in dem Moment war es ihre Story. Es war ihre verrückte Geschichte und man merkte, sie leben, um etwas zu erleben. Sie
genießen jeden Tag an Bord und nehmen das Gute und das Schlechte einfach hin.
Ich könnte gar nicht alle Menschen und Familien nennen, die wir getroffen haben. Es war üblich, am Ankerplatz nach deutschen Flaggen Ausschau zu halten und vorbeizufahren.
Man war nie allein, es sei denn man wollte allein sein. Wir haben es wirklich genossen, dass wir so viele Spielkameraden für unsere Kinder und so viele Freunde zum Reden für uns gefunden
haben.
Mustique
Warum sollte man gerade in der Karibik segeln?
Segeln in der Karibik - warum nicht?
Es ist eine andere Welt, eine fremde, aber den "Fremdheitsgrad" kann man sich aussuchen:
- die „französischen Inseln,“ wie Martinique, mit dem Euro, einer bekannten Sprache und „normalem“ Telefontarif und mit einer sehr guten Infrastruktur, oder
- kleinere Inseln, die „Abenteuer“ und Einsamkeit bieten.
In der Karibik ist alles möglich. Man sollte sich von dieser Welt verzaubern lassen, aber sich auch nicht wundern, wenn man teilweise entzaubert wird.
Und übrigens auf dieser Internetseite sind nur „zweitklassige“ Bilder.
Ich versuche nämlich die Fotos mit den Gesichtern von unseren Kindern zu vermeiden und auf den meisten, schönen Fotos sind halt unsere Kinder zu sehen. Also, stellt euch jetzt vor, wie wunderschön es in der Karibik wirklich ist.
